des Monats Juli 2024 Blaupause Von Leonie Lorena Wyss Regie: Henri Hüster Mit: Lara Sienczak, Sophia Kennedy, Sasha Rau, Svetlana Belesova, Edith Saldanha, Josefine Israel, Maximilian Scheidt, Levin Hofmann und Leonie Lorena Wyss Komposition und Gesang; Sophia Kennedy Technische Realisation: Christian Alpen und Sebastian Ohm Regieassistenz: Sarah Veith Dramaturgie: Michael Becker Produktion: Norddeutscher Rundfunk 2024 Anschließend: Hauptsache Hörspiel - Folge 24 Von Hanna Steger und Max von Malotki Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste: "Auf einmal war sie weg. Verschwunden. Verschwunden im Sinne von nicht wiedergekommen, im Sinne von nie wieder aufgetaucht", die Farbe Blau, das Symbol für - was auch immer. Weg ist das Symbol, durchgestrichen die Bedeutungen: Wir werden im Hörspiel "Blaupause" von Leonie Lorena Wyss mit einer Verblüffung nicht einfach abgeholt, sondern gleich mitgerissen, hineingerissen in den schnatternden Urwald menschlicher Gefühle, Regungen und Bewegungen, Seufzer und Sätze. Wir verirren uns im Schatten junger Mädchen auf ihrem qualvoll süßen, erschreckend sehnsüchtigen Coming-of-age-Weg. Der beginnt bei der unvermeidlichen Familienfete inklusive Chor der dreizehn "Cousinenköpfe dicht über der Bärlauchsuppenpfütze vor ihnen", bei penetrant ratgebenden Tanten und dem Überfall eines Gesprächsstoffes, des Gesprächsstoffes überhaupt: SEBASTIAN. Begleitet von allen nur denkbaren Variationen zum Thema Kichern. "Wir haben uns geküsst, und bald sicher auch das andere." Grell ziehen die Stationen des Passionswegs an uns vorüber: So der Biologieunterricht mit seiner Tier-Doku und den "Jungs in der hintersten Reihe", die "angefangen haben zu pfeifen, als da der Löwe irgendwie so von hinten auf die Löwin". Oder die Kaufhofkasse, bei der sich peinlicherweise herausstellt, dass die gewählten Kaugummis mit Wassermelonengeschmack nicht zum Kauen gedacht sind. Da sind die Tampons, für alle Fälle schon mal eingepackt. Das herumgereichte Filmstill, darauf: "Zwei Frauen, die eine blaue Haare, die andere dunkelblond, schauen sich an, die Lippen ganz nah, küssen die sich?" Und danach die heimliche Internet-Recherche. Party, Wohnzimmer-Dancefloor und fettige Chipsfinger. Alle nur denkbaren Variationen zum Thema Sebastianslachen. Digitaler Lesbentest und zarte Versuche. Später dann - "wir sind zwanzig" - auf dem Teppichboden in der Wohnung des 38-jährigen Tindertypen, "Flusen, die kratzen im Rücken, die Uhr mit dem Eiffelturm an der Wand, der Zeiger zwischen 0 und 1." Ein Rausch geht zu Ende, der rasante Trip ins Erwachsenenalter in seiner ganzen, harten Ambivalenz. Leonie Lorena Wyss schneidet die Realitäten nur an, zeichnet sie aber im Ausschnitt präzise nach und kommt darum ohne Erklärungen aus. Das ist korrektes Zitieren der Wirklichkeit. Auch in der Hörspielumsetzung: Die Töne stimmen, die Sprechhaltungen des brillanten Ensembles leisten nachgerade Wahrheitsnachweise. Dabei verwebt der Regisseur Henri Hüster Text und Sprechchoreinsätze mit der Bruitage und den Klängen von Sofia Kennedys Soundtrack zu einer Einheit, die zwischen dialogischem Rap und akustischem Comic oszilliert. Bilanz: Heiße Ästhetik, ganz große Kunst und darum Hörspiel des Monats Juli 2024.
Richard Wagner: "Tristan und Isolde" Handlung in drei Aufzügen Tristan - Klaus Florian Vogt Isolde - Camilla Nylund König Marke - Georg Zeppenfeld Kurwenal - Martin Gantner Brangäne - Tanja Ariane Baumgartner Melot - Sebastian Wartig Ein Hirt/Ein junger Seemann - Attilio Glaser Ein Steuermann - Lawson Anderson Staatsopernchor Dresden Sächsische Staatskapelle Dresden Leitung: Christian Thielemann Aufnahme vom Januar 2024 in der Semperoper, Dresden
Vier Lehrmeister Von Liao Yiwu Bearbeitung: Hilke Veth Übersetzung aus dem Chinesischen: Hans Peter Hoffmann, Martina Hasse, Brigitte Höhenrieder Komposition: Liao Yiwu Regie: Andrea Getto Mit Martin Engler, Sascha Icks, Horst Mendroch, Heinrich Giskes, Lisa Hagmeister, Mirco Kreibich, Liao Yiwu (Gedichte) NDR 2011 Der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis - das seien seine Lehrmeister, formuliert der chinesische Autor Liao Yiwu in einer Rede, die er vor dem unabhängigen chinesischen PEN-Zentrum 2007 halten sollte, aber nicht konnte. Der Hunger, die Schande, die Obdachlosigkeit und das Gefängnis sind auch die Erfahrungen von vier seiner Interviewpartner in der Gesprächssammlung "Fräulein Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft von unten". Dazu gehören ein Leichenschminker, ein Leprakranker, eine fernsehsüchtige 18jährige "Fräulein Hallo" und ein Ausbrecherkönig. Collagiert mit Gedichten, die der Autor bei einem Besuch in Deutschland im Herbst 2010 im Studio vortrug, werfen die Texte ein Schlaglicht auf die kollektiven Traumata Chinas. 18:00 - 18:04 Uhr Nachrichten, Wetter Hörspiel
L.A. Dreams Eine Metropole repariert sich selbst Von Martina Groß Regie: Andreas Hagelüken und die Autorin Ton: Andreas Hagelüken Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2024 Länge: ca. 54"30 (Ursendung) (Wdh. am 06.10.2024 Deutschlandfunk, 20.05 Uhr) Los Angeles war immer Erzählung und Verheißung. In diesem Feature träumen die Bewohner der kalifornischen Metropole davon, dass ihre Reformideen die Stadt neu und besser machen. Und manche dieser L.A. Dreams könnten schon bald wahr werden. Wer fährt eigentlich Bus und U-Bahn in L.A.? Unsere Autorin Martina Groß tat es und traf einen Querschnitt der Stadtgesellschaft im öffentlichen Nahverkehr. Das Bild von den Straßenkreuzern auf den Highways ist nur eine Facette der Wirklichkeit. Daneben steht ein diverses, solidarisches L.A., in dem Fahrrad gefahren, die Belange der Nachbarschaft verhandelt und nach neuen Ideen für eine lebenswertere Stadt gesucht wird. Die Geschichte dieses alternativen L.A. ist so alt wie die Stadt selbst und steht immer im Clinch mit Kräften, die die besten Teile der Stadt für die Wohlhabenden reservieren wollen. Einer der Schauplatze, auf denen ein anderes L.A. aufscheint, ist der L.A. River. Noch ist die einstige Lebensader der Stadt zum größten Teil in ein Betonbett gezwängt. Doch manche Angelenos träumen von einer ganz anderen Rolle für ihn. Martina Groß, 1963 in Berlin geboren, studierte Germanistik, Soziologie und Publizistik. Seit 1997 Feature-Autorin. Ihre Sendung "Noch zehn Sekunden. Die amerikanische Radiopionierin Elsa Knight Thompson" (Deutschlandfunk 2010) wurde mit dem Juliane Bartel Medienpreis ausgezeichnet, "Lynne Stewart, eine amerikanische Geschichte" (Deutschlandfunk/NDR 2011) für den Liberty Award 2013 nominiert. Zuletzt u.a.: "Take half a hit - Cannabis in Kalifornien" (Deutschlandfunk Kultur 2019) und "Anthropologie des Undergrounds - Über den Verleger V. Vale" (Deutschlandfunk 2022). Eine Metropole repariert sich selbst L.A. Dreams
Hörspiel von Liao Yiwu Liao Yiwu, unbotmäßiger Chronist der chinesischen Gesellschaft, protokolliert vor allem das Leben von unten, das der Randständigen, Stigmatisierten, Ausgegrenzten. Hilke Veth hat seine Protokolle collagiert mit Gedichten und Musik, die der Autor im Studio vorgetragen hat, als er 2010 erstmals Deutschland besuchte. Vorlage: Fräulein Hallo und der Bauernkaiser. Chinas Gesellschaft von unten (Gespräche, chinesisch) Besetzung: Martin Engler (Liao), Sascha Maria Icks (Sprecherin), Horst Mendroch (Zhang, der Leichenschminker), Heinrich Giskes (Zhang Z, der Leprakranke), Lisa Hagmeister (Fräulein Hallo, die Prostituierte), Mirco Kreibich (Cui, der Ausbrecherkönig) Übersetzung: Hans Peter Hoffmann, Brigitte Höhenrieder, Martina Hasse Bearbeitung: Hilke Veth Komposition: Liao Yiwu Dramaturgie: Susanne Hoffmann Technische Realisierung: Katja Zeidler, Ole Halver Regieassistenz: Stefanie Porath-Walsh Regie: Andrea Getto